Circular Economy

Tiefer eintauchen: Reaktive Metalle als kohlenstofffreie Energieträger in einer kreislaufbasierten Energiewirtschaft

Möchten Sie sich eingehender mit dem Eisenkreislauf befassen? Vier unserer jüngsten Übersichtsartikel bieten einen guten Einstieg und wir haben sie für Sie zusammengefasst. Von einer umfassenden Bewertung der Chancen und Herausforderungen eines eisenbasierten Energiesystems über eine technisch-wirtschaftliche Analyse der Versorgungsketten und einer sorgfältigen Untersuchung, wie bestehende Kraftwerke nachgerüstet werden könnten, bis hin zur Betrachtung von Energiepartnerschaften. Machen Sie sich ein Bild!

1. Die ganzheitliche Bewertung des Zyklus

Welches Potenzial hat Eisen als kohlenstofffreier und umweltfreundlicher Energieträger im Rahmen einer künftigen Kreislaufwirtschaft, die neben erneuerbaren Energien auch auf Wiederverwertbarkeit setzt? Wir liefern eine umfassende Bewertung der Eisenmenge, die für die Nachrüstung von Kohlekraftwerken weltweit erforderlich ist.

Da wir Eisen als wiederverwertbaren Energieträger nur einmal in den Kreislauf einführen, ist ein 20-jähriger Übergangszeitraum machbar, wenn der für die Umsetzung nötige zusätzliche Eisenerzabbau berücksichtigt wird. Darüber hinaus heben wir die Synergien zwischen dem Recycling von Eisenoxiden durch chemische Reduktion und der Produktion von Roheisen für die grüne Stahlerzeugung hervor. Diese Prozesse haben ähnliche Anforderungen an die Reduktionskapazität, was die Realisierbarkeit einer eisenbasierten Kreislaufwirtschaft unterstreicht.

Darüber hinaus gilt die grüne Stahlerzeugung als „No-regret“-Anwendung für grünen Wasserstoff und dürfte sich daher in den nächsten Jahrzehnten durchsetzen. Derzeit besteht die größte Herausforderung in der Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit grünem Wasserstoff für Reduktionsprozesse. Angesichts der weltweiten Investitionen in grüne Wasserstofftechnologien gehen wir jedoch davon aus, dass dieser Engpass beseitigt wird, was die Aussichten auf ein nachhaltiges, auf Eisen basierendes kreisförmiges Energiesystem weiter verbessert.

P. Debiagi, R.C. Rocha, A. Scholtissek, J. Janicka, C. Hasse: Iron as a sustainable chemical carrier of renewable energy: Analysis of opportunities and challenges for retrofitting coal-fired power plants, Renewable and Sustainable Energy Reviews 165, 2022.

https://doi.org/10.1016/j.rser.2022.112579

https://arxiv.org/abs/2205.11944v1

2. Analyse der Transportwege

Die Autoren dieser Studie liefern eine umfassende technisch-ökonomische Bewertung, die sich auf Energieversorgungsketten für die kohlenstofffreie Stromerzeugung über große Entfernungen konzentriert und zwei vielversprechende kohlenstofffreie Energieträger hervorhebt: Wasserstoff und Eisen. Die Bewertung umfasst drei Schlüsseldimensionen – den thermodynamischen Wirkungsgrad (energetische Bewertung), die CO2-Emissionen (Umweltbewertung) und die Stromentstehungskosten (LCOE, wirtschaftliche Bewertung).

Potenzielle Handelswege zwischen energieexportierenden Ländern wie Marokko, Saudi-Arabien und Australien und energieimportierenden Ländern wie Deutschland und Japan werden untersucht. Um eine ganzheitliche Sichtweise zu ermöglichen, umfasst die Studie Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalysen, zeigt die wichtigsten Kostentreiber auf und bietet eine vergleichende Analyse mit konventionellen fossilen Brennstoffen. Die Studie zeigt, dass Grünes Eisen in einem globalisierten Markt für saubere Energie ein wichtiger Energieträger für den Langstreckenhandel werden kann.

Highlights

  • Energetische Effizienz: Grünes Eisen weist eine Energieeffizienz auf, die der von grünem Wasserstoff entspricht.
  • Transport und Speicherung: Bei Kurzstreckentransporten und sofortiger Nutzung kann Wasserstoff aufgrund seiner direkten Anwendbarkeit im Vergleich zu den für einen Eisenkreislauf erforderlichen Verarbeitungsschritten einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Für Langstreckentransporte und längere Speicherdauer erweist sich Eisen jedoch als vorteilhaft, da es die etablierten Transport- und Speichertechnologien nutzt.
  • Nachrüstung von Infrastrukturen: Eisen bietet den Vorteil, dass die bestehende Infrastruktur nachgerüstet werden kann (Retrofit), was es zu einer überzeugenden Option für den Übergang zu kohlenstofffreier Energie macht.
  • Kostengünstige Wettbewerbsfähigkeit: Die Studie deutet darauf hin, dass sowohl Eisen als auch Wasserstoff bei Realisierung ihres technisch-wirtschaftlichen Potenzials auf dem Energiemarkt kostenmäßig mit fossilen Brennstoffen konkurrieren könnten.

J. Neumann, R. C. Rocha, P. Debiagi, A. Scholtissek, F. Dammel, P. Stephan, C. Hasse: Techno-economic assessment of long-distance supply chains of energy carriers: Comparing hydrogen and iron for carbon-free electricity generation, Applications in Energy and Combustion Science 14, 2023.

https://doi.org/10.1016/j.jaecs.2023.100128

https://arxiv.org/abs/2303.00681

3. Umrüsten von Kohlekraftwerken

Wir stellen eine sorgfältige Retrofit-Studie vor, die darauf abzielt, moderne Kohlekraftwerke der 800-MW-Klasse umzurüsten und zu optimieren. Wir verwenden ein Modell, das alle Stoff- und Energieströme innerhalb der Anlage bilanziert. Besonderes Augenmerk wird dabei auf kritische Komponenten wie Brennersystem und Wärmetauscher gelegt.

Highlights

  • Wiederverwendbarkeit von Bauteilen: Die Analyse zeigt, dass wichtige Komponenten wie der Dampferzeuger und der Dampfkreislauf mit moderaten Modifikationen wiederverwendet werden können. Bestimmte Elemente, wie die Zufuhr des Brennstoffes, die Brenner und das Entstaubungssystem, müssen jedoch neu konzipiert werden.
  • Steigerung des Wirkungsgrads: Das umgerüstete Kraftwerk weist im Vergleich zu seinem kohlebefeuerten Pendant eine Effizienzsteigerung von etwa 1–2 % auf. Diese Verbesserung ist in erster Linie auf den geringeren internen Energieverbrauch der Hilfssysteme zurückzuführen. Für Geräte wie Mahl- und Entschwefelungsanlagen gibt es keinen Bedarf mehr und es besteht die Möglichkeit, auf die Entstickungsanlage zu verzichten. Außerdem erreichen wir aufgrund der stärkeren Wärmestrahlung der Partikel deutlich höhere Wärmeübergangskoeffizienten. Infolgedessen sinken die Abgastemperaturen, was zu einem höheren Wirkungsgrad des Kessels führt.
  • Überwindung von Beschränkungen: Durch konstruktive Änderungen können wir bisherige Beschränkungen umgehen, wie z. B. Taupunktunterschreitungen von Schwefeldämpfen im Abgasbereich und die Einhaltung von Höchsttemperaturen an den Mühlen im Luftbereich. Folglich können höhere Luftvorwärmtemperaturen in Betracht gezogen werden, was dem Gesamtwirkungsgrad der Anlage zugute kommt.

J. Janicka , P. Debiagi, A. Scholtissek, A. Dreizler, B. Epple, R. Pawellek, A. Maltsev, C. Hasse: The potential of retrofitting existing coal power plants: A case study for operation with green iron, Applied Energy 339, 2023.

https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2023.120950

https://arxiv.org/abs/2303.04000

4. Die Potentiale von Partnerländern: Beispiel Marokko

Welches Potenzial hat Marokko als Energiepartner der Europäischen Union (EU)? Welche Herausforderungen und Chancen bietet eine Zusammenarbeit im Bereich grüner Energiehandel?

Der Russische Angriffskrieg auf die Ukraine und ein wachsendes Verständnis für Energieabhängigkeiten Europas, aber auch die Notwendigkeit von Importen für das Aufbauen eines Wasserstoffmarktes, zeigen, dass Energietransitionspolitik immer auch komplexe Beziehungen zu potenziellen Partnerländern beinhaltet. Dieser Aspekt spielt auch für Eisen als Energieträger eine wichtige Rolle. Im Rahmen dieser Herausforderungen und der Salienz von Energiepartnerschaften zwischen der EU und externen Partnerländern, haben Forschende von Clean Circles eine Studie zu den Wasserstoffbeziehungen zwischen Marokko und der EU vorgelegt.

Sowohl Brüssel als auch Rabat verfolgen ehrgeizige Ziele mit Blick auf grüne Energie, vor allem im Bereich Wasserstoff. Basierend auf Theorien internationaler Institutionen und aus der politischen Ökonomie analysiert dieser Artikel Potenziale für die Beziehungen zwischen Marokko und der EU im Bereich Wasserstoff und erläutert Nachfrage- und Angebotsfaktoren als Treiber institutionalisierter Energiekooperationen. Das Clean Circles Team untersucht den spezifischen Ansatz der EU zu dem Energieträger, die Beziehungen zu Marokko und die politischen Interessen beider Seiten.

Highlights

  • Salienz von Energiepartnerschaften: Russischer Angriffskrieg und Debatte um Energieabhängigkeiten lassen grüne Energiepartnerschaften in den Fokus rücken.
  • Rahmenbedingungen wichtig: Institutionalisierte Partnerschaften notwendig, die eine Vielzahl von politischen und wirtschaftlichen Akteuren beinhalten.
  • Marokko als Schlüsselpartner: Hohes Potenzial für erneuerbare Energien, kostengünstige Produktion, geographische Nähe und enge Beziehungen zur Europäischen Union (EU) machen Marokko zu einem bevorzugten Partner für den Export von grüner Energie nach Europa.
  • Nachfrage und Angebot im Einklang: Studie zeigt, dass die erwartete Nachfrage durch das Angebot des Partnerlandes gedeckt werden kann.
  • Politische und ökonomische Herausforderungen: Die Analyse kommt aber auch zum Ergebnis, dass es spezifische Herausforderungen der Partnerschaft gibt, darunter die Notwendigkeit, die Partnerschaft zu vertiefen, divergierende politische Verständnisse zu verringern und den Markt auf den grünen Energiehandel vorzubereiten.

F. Plank, Friedrich, B. Daum, J. Muntschick, M. Knodt, C. Hasse, I. Ott, A. Niemann: Hydrogen: Fueling EU-Morocco Energy Cooperation? Middle East Policy, 30(3). 2023; 37-52.

https://doi.org/10.1111/mepo.12699

Weiterführende Literatur: Arbeiten der TU Eindhoven

Metallische Energieträger werden auch in mehreren Studien der TU Eindhoven untersucht.

Verschiedene Metallpulver wurden auf ihre Eignung als dichte Energieträger untersucht. In dieser Studie beschränken sich die Autoren auf vier leicht verfügbare, vielversprechende metallische Energieträger: Aluminium, Silizium, Eisen und Zink. Auf der Grundlage der statischen Energieerzeugung schätzen die Autoren die erforderlichen Mengen, den Transport, die Zykluseffizienz und die physikalischen Explosionsgefahren ab. Der für den Transport erforderliche Umfang ist viel größer als in der derzeitigen Metallpulverindustrie. Die Transportanforderungen sind mit denen für Kohle vergleichbar. Die Gefahren bei der Handhabung sind nur bei Aluminium gravierend. Eisen und Silizium kristallisieren sich als die Materialien der Wahl heraus.

L. Dirven, N.G. Deen, M. Golombok: Dense energy carrier assessment of four combustible metal powders, Sustainable Energy Technologies and Assessments 30, 2018.

https://doi.org/10.1016/j.seta.2018.09.003

Strategiepapier zu Eisen als Energieträger

Die Ergebnisse der Kostenanalyse einer Logistik für metallische Brennstoffe zeigen ein wettbewerbsfähiges Potenzial zur Dekarbonisierung der Hochtemperaturwärmeerzeugung, wie eine Studie von Metalot zeigt.

Das Strategiepapier bietet einen Überblick über die Entwicklung der Eisenverstromung und des zugehörigen Ökosystems. Es wirft einen genaueren Blick auf die Anwendung und das Potenzial, den aktuellen Stand und künftige Meilensteine. Eisen als Energieträger ist eine wirtschaftlich attraktive Methode, um erneuerbare Energie zu importieren, so die Studie. Zur Veranschaulichung werden die Stromgestehungskosten (LCOE) für die Wertschöpfungskette der Eisenverstromung für mehrere potenzielle industrielle Endverbraucher in den Niederlanden berechnet. Anschließend werden sie mit Alternativen verglichen. Die LCOE von importiertem Eisenstrom liegen im Bereich des Wasserstoffimports und der lokalen Wasserstoffproduktion. In allen untersuchten Fällen ist die Wasserstoffproduktion der größte Kostenfaktor bei den Stromgestehungskosten. Die Einfachheit der Lagerung und des Transports von Eisenpulver im Vergleich zu anderen Energieträgern macht die für die Eisenpulvermenge erforderlichen Kapitalkosten wett. Transport und Lagerung des Eisenpulvers tragen nur geringfügig zu den LCOE bei, was darauf hindeutet, dass es kosteneffizient ist, den Energieträger in der Nähe einer billigen Wasserstoffquelle zu produzieren. Um die Eisenverstromung in das Energiesystem einzuführen, muss eine neue Wertschöpfungskette aufgebaut werden. Um dies zu erreichen, ist die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Wissenseinrichtungen, Geschäftspartnern aus der Industrie und Handelsunternehmen unerlässlich. Als Leitfaden für eine koordinierte Technologieentwicklung und -umsetzung ist eine Roadmap geplant.

T. Hajondes van der Meulen, T. van Leeuwen, H. Zondag: A feasibility study – Cost analysis of high temperature heat supply via imported metal fuel (Fe).

https://www.metalot.nl/storage/userfiles/documenten/2022metalfuelimportsupplychaintno.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)